Ich muss zugeben, Neukölln gehört nicht gerade zu meinen Lieblings-Ortsteilen. Durch die halbe Stadt ausgerechnet dort hin zu fahren um essen zu gehen, habe ich daher lange vermieden. Glücklicherweise gibt es in Berlin ja genügend Auswahl. Doch irgendwann wurde die Neugier doch zu groß. Zuviel Gutes hatte ich gesehen und gehört um mir nicht endlich ein eigenes Bild machen zu wollen.
Also ging es vergangene Woche nach Neukölln. Und was soll ich sagen…es hat sich nicht nur gelohnt, sondern es wird auch sicher nicht das letzte Mal gewesen sein.
Zunächst einmal war ich positiv überrascht, denn das „Hallmann & Klee“, das Ziel der Reise war, liegt an einem Platz im Stadtteil, der überraschend schön war. Viel Grün, kleine Plätze, schöne Häuser. Ganz anders als gewohnt und erwartet.
Das Restaurant selbst ist minimalistisch eingerichtet. Ein bisschen eine Mischung aus nordischer Einfachheit und dem Charme einer Altbauwohnung, wodurch man sich direkt wohl fühlt. Auch der herzliche Service von dem jungen Team rund um Inhaberin Sarah Hallmann tut hier sein übriges.
Aber wer mich kennt, weiß, dass meine Priorität dem Essen gilt. Und auch hier wurde ich absolut nicht enttäuscht.
Beim Gruß des Hauses handelte es sich um eine Interpretation von Langos, der ungeheuer aromatisch und fluffig daher kam, ohne eine Spur der unangenehmen Fettigkeit, die man von Weihnachtsmärkten gewohnt ist.


Ebenso aromatisch erfolgte der Auftakt ins Menü „toro, pata negra“. Ein minimalistischer Gang, dem es auf Grund der hohen Produktqualität an nichts fehlte.
Beim nächsten Gang war ich skeptisch – „morisseau muschel, gorgonzola dolce“ – ich bin kein großer Muschelfan und Blauschimmelkäse ist eigentlich etwas, was ich eher meide. Ich hatte zunächst überlegt, den Gang mit dem aus dem vegetarischen Menü zu tauschen, da hier die Hauptkomponente jedoch Paprika war und mir der Gang sehr ans Herz gelegt wurde, entschloss ich mich jedoch es zu versuchen. Eine Entscheidung über die ich noch eine Woche später dankbar bin. Der Gang war das komplette Gegenteil meiner – ich muss es Befürchtungen nennen – von den beiden Hauptprodukten war nur das Beste zu schmecken. Die Cremigkeit der Muscheln zusammen mit der intensiven Würzigkeit des Gorgonzola passten perfekt zueinander. Hätte man mir das Gericht ohne Speisekarte, blind vor die Nase gestellt, hätte ich nie erraten, dass es sich um Gorgonzola handelt.
Neben dem 6-Gang-Menü, das man wahlweise mit Fleisch/Fisch oder vegetarisch wählen konnte, gab es zwei weitere Gänge, um das Menü zu erweitern.
Bei einem handelte es sich um den Signatur Dish „kartoffel, molke, liebstöckel“ von Sarah Hallmann. Der musste natürlich probiert werden. Der Teller war zunächst optisch unscheinbar, das Püree gebettet auf einer Sauce vom Liebstöckel mit etwas Molkeschaum. Aber manchmal sind es eben die einfachen Dinge, die voller Schönheit – in diesem Fall voller Geschmack – stecken. Ich weiß nicht, ob ich jemals ein so seidiges, aromatisches Püree gegessen habe. Das Püree wird zur Finalisierung durch ein Sieb gestrichen und wird dadurch so fein, dass es auf der Zunge zerfließt, jedoch den ganzen Kartoffelgeschmack mit sich trägt.


Auch wenn ich jetzt bereits aus dem Schwärmen kaum noch rauskam, sollte dies nicht der Höhepunkt des Abends sein, denn mein persönlicher Lieblingsgang, folgte nun. „gnochetti sardi, nduja, carabinero“ – Im Vorfeld hatte ich das Gericht bereits bei Instagram gesehen. Doch aus Erfahrung weiß ich ja, dass fotogene Gänge nicht immer auch die Schmackhaftesten sind. In diesem Fall wurde jedoch alles geliefert. Die kleinteilige Pasta, die auf den Punkt gegart war, wurde vollständig von der kräftigen Sauce, aromatisiert durch Nduja umhüllt. Dazu die Cremigkeit der fast rohen Carabinerostücke. Doch das Highlight, war die Vanille, die ebenfalls klar aus der Sauce herauszuschmecken war und dem Gericht eine Feinheit verlieh, mit der man bei Nduja nicht unbedingt rechnet, und es so perfekt abrundete. Der Beweis, dass Vanille längst nicht nur ein Partner für Süßspeisen ist.
Wenngleich dieser Gang einfach für mich im Verlauf nicht mehr zu toppen war, so schloss sich der Hauptgang „poltinger lamm, roscoff, aal“ in seinem Geschmack und seiner Qualität an die vorherigen Gänge an. Das perfekt rosa gegarte Lamm harmonierte mit der gegarten Roscoffzwiebel im Aalfond. Dazu gab es, passend zum Neuköllner Ortsteil, eine Art Köfte unter cremigem Schaum, unglaublich aromenstark und für sich bereits ein Gericht, von dem man sich an manchen Tagen eine große Portion wünschen würde und schon wäre man glücklich.


Nun erfolgte der Übergang zur süßen Abteilung. Zunächst mit einem Dessert, dem ich ein wenig skeptisch entgegen geblickt hatte. Die Kombination von „himbeere, fukkurinko, rosé“ klingt interessant. Bei jeder Form von Blumen im süßen Gang bin ich erst einmal ein wenig misstrauisch. Schnell übertüncht das Aroma alles andere mit einem süßlich, blumigen Geschmack. Doch nach dem bisherigen Menü, hätte ich wissen sollen, dass die Ausgewogenheit auch hier perfekt sein würde und ich einfach ein wunderbar erfrischendes Sommerdessert genießen durfte.
Den Ausklang des Menüs sollte nun „haselnuss, Steinpilz, vollmilch“ übernehmen. Dieses cremig-crunchige Dessert rundete das Menü mit seiner geschmacklichen Anlehnung an Hanuta perfekt ab.
In den vergangenen Monaten war ich einige Male sehr gut essen, teilweise sind daraus neue Lieblingsrestaurants entstanden, aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich ein Restaurant zuletzt mit so einem guten Gefühl verlassen habe. Durchweg jeder Gang war ein Genuss, hoch aromatisch und mit bester Produktqualität. Neben aller Geschmacksintensität begleitet die Gänge jedoch auch eine Leichtigkeit, die ich so nur selten erlebt habe.
Der Ausflug nach Neukölln hat sich definitiv gelohnt. Fast ärgere ich mich ein wenig über mich selbst, dass ich so lange gebraucht habe, den Weg dorthin zu finden. Das Restaurant „Hallmann & Klee“ ist eine große Empfehlung für alle, die gerne in einem entspannten, lockeren Rahmen auf höchstem Niveau Sterneküche genießen möchten.
Mich wird es in Zukunft definitiv wieder in die Neuköllner Straßen treiben.