Schaut man in die Nachrichten, vergeht kaum ein Tag mit der nächsten Hiobsbotschaft. Berichte über den Ukrainekrieg oder den Nahost-Konflikt verbreiten Angst und Unsicherheit. Schlagzeilen zu Trump oder der AFD sorgen für Ratlosigkeit. Vorhersagen über den Klimawandel und Altersarmut helfen ebenfalls nicht dabei, dass wir uns besser fühlen. Obwohl die meisten dieser Nachrichten uns (noch) nicht persönlich betreffen oder noch Zukunftsvisionen sind sorgen sie bereits jetzt dafür, dass wir nachts schlechter schlafen, unseren Alltag sorgenvoller bestreiten und die Leichtigkeit einbüßen mit der wir früher durchs Leben gegangen sind.
Jeder von uns reagiert anders auf diese Ungewissheit, die einen kontern mit Aggressivität und Lautstärke, die anderen mit Resignation und Rückzug und wieder andere sind auf der Suche nach einem Zwischenweg. Allen Reaktionen gemein ist, dass sie am Ende meistens zu einem Problem führen, das uns nun wirklich direkt betrifft, entweder uns selbst oder jemanden in unserem Umfeld, dem Problem der Einsamkeit.
Die WHO schätzt die Einsamkeit als stark gesundheitsschädlich ein, vergleichbar mit rauchen. Menschen, die sich chronisch einsam fühlen, haben häufig physische und psychische Probleme. Sie haben ein schwächeres Immunsystem und dadurch häufigere Erkrankungen. Auch die Gefahr für Depressionen ist erhöht, da mit dauerhafter Einsamkeit ein Verlust von Selbstwert- und Sinngefühl einhergeht.


Die Zahl der Menschen, die sich einsam fühlen ist seit Corona stark gestiegen. War es zuvor überwiegend ein Problem, das ältere Menschen betroffen hat, betrifft es nun auch Jüngere. Vermutlich war das bereits vor Corona der Fall und ist während dieser Phase nur ins Bewusstsein gerückt. Während Corona ist vieles, was sonst Raum im Leben einnimmt und für Ablenkung sorgt, plötzlich verstummt. Freundschaften und Beziehungen wurden auf die Probe gestellt, Gefühle, die sonst im Verborgenen waren, haben plötzlich Raum bekommen und damit sind Dinge ins Bewusstsein getreten, die vorher im Alltag untergegangen sind.
Seit ca. 3 Jahren sind alle Maßnahmen aufgehoben und dennoch hat das Gefühl der Einsamkeit nicht wesentlich abgenommen. Ins besondere in Großstädten, wie Berlin gibt noch immer jeder 10. an, sich einsam zu fühlen.
Sogar Satiriker Jan Böhmermann hat dem Thema Anfang des Jahres eine Sendung gewidmet: https://www.zdf.de/play/shows/zdf-magazin-royale-102/zdf-magazin-royale-vom-7-maerz-2025-100
Statt darüber zu reden, schämen sich viele Betroffene für ihre Gefühle und haben das Gefühl der Welt nicht zu genügen, sie ziehen sich in sich selbst zurück und nutzen Soziale Medien um sich abzulenken. Dass diese das Gefühl der Einsamkeit und der Minderwertigkeitsgefühle jedoch durch den ständigen Vergleich nur verstärken, gilt mittlerweile als bewiesen.

Doch warum schreibe ich über dieses Thema in einem Foodblog?
Abgesehen davon, dass es ein Thema ist, das mich berührt, bin ich der festen Überzeugung, dass die Gastronomie hier Abhilfe schaffen kann.
Hierfür zunächst einmal die Definition von Einsamkeit vom Kompetenznetz Einsamkeit, ein Projekt vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V., das vom Bundesministerium unterstützt wird:
Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl, bei dem die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Zum Beispiel kann Einsamkeit für manche einen empfundenen Mangel an engen, emotionalen Bindungen bedeuten. Für Andere entsteht Einsamkeit, wenn sie weniger Kontakt zu anderen Menschen haben, als sie es gerne möchten.“
Und welcher Ort wäre besser geeignet um Kontakte zwischen Menschen herzustellen, als die Gastronomie?
Bereits während der Coronazeit hat die Metro in einer Kampagne für die Gastronomie als 3.Ort geworben. Unter dritten Orten versteht man öffentliche Räume, abseits der eigenen vier Wände und dem Arbeitsplatz, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und als Gesellschaftsräume das Leben bereichern. Sie bereichern das Leben durch die Möglichkeit, anderen Menschen zu begegnen, sich auszutauschen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen.
Nichts könnte treffender für eine Beschreibung der Gastronomie sein. Auch hier hat die Coronazeit gezeigt, wie sehr diese Orte während der Lockdowns vermisst wurden. Nach der Wiedereröffnung waren Lokale gefüllt wie selten. In den vergangenen Monaten hatte sich eine Sehnsucht ausgebreitet, endlich wieder gemeinsam etwas essen oder trinken zu gehen.
Auch ich selbst habe die verspürt. Obwohl ich damals noch in meinem eigenen Restaurant Take Away-Service angeboten habe und so immer etwas Kontakt zu meinen Stammgästen hatte und nie auf gute Küche verzichten musste, war das Erste, was ich getan habe, als im nachbarlichen Bundesland die Geschäfte und Restaurants noch vor Nordrhein-Westfalen wieder öffnen durften, keine Shoppingtour, sondern ein gutes Mittagessen in einem Restaurant.
Leider ist diese Freude im Zuge der Themen um Mehrwertsteuer und Preiserhöhung wieder etwas in Vergessenheit geraten. Auch, dass unsere Gesellschaft vom „to go“-Erlebniss geprägt ist, hilft nicht.
Aber am Ende hat die Gastronomie ja noch ein weiteres unschlagbares Argument, ihre Vielseitigkeit. Für jeden Geschmack, jeden Geldbeutel und jedes Kliente lässt sich das Richtige finden.
Das kann der Aufenthalt in der Stammkneipe sein, wo Kneipier und Gast sich nach ein paar Besuchen schon mit Zeichensprache verständigen, dass es wieder das übliche Feierabendbier sein soll. Wo man unter Gleichgesinnten sitzt und sich schnell wieder erkennt.
Oder die Dönerbude um die Ecke, wo der Inhaber selbst das Fleisch vom Spieß schneidet und dir als Stammgast extra scharfe Sauce kostenlos dazu gibt. Wo du bereits seine Familie kennengelernt hast, dass es sich irgendwann anfühlt, als wärst du selbst ein Teil davon.


Auch der Biergarten in der Nähe, wo du am freien Tag deinen Aperol Spitz trinkst, die Gäste um dich herum beobachtest und dabei die Sonne genießt.
Und natürlich gibt es auch das Fine Dining Restaurant, wo du auf Gleichgesinnte triffst, die gute Küche und Produkte eben so lieben, wie du selbst. Wo man gemeinsam fachsimpel kann, welcher Gang der Beste war oder was die Konkurrenz so kann.
Alles verschiedene Erlebnisse, aber allen ist gemein, dass sie Verbundenheit schaffen. Verbundenheit zwischen verschiedensten Menschen, die sich entschieden haben, ihre Zeit am selben Ort zu verbringen. Eine Verbundenheit, die Bedeutung hat und zu einem „Wir-Gefühl“ oder einem „Wie-Zuhause-Gefühl“ werden kann.
Nicht selten sind daraus Freundschaften, Liebschaften oder sogar Ehen entstanden.
Gastronomie ist sicher nicht der große alleinige Retter gegen Einsamkeit, aber sie kann für viele schöne Momente sorgen. Momente der Gemeinsamkeit, der Freude und der Verbundenheit. Und damit Augenblicke schaffen, die aufzeigen, wie lebens- und liebenswert das Leben ist und Betroffene ermutigen, die Hoffnung nicht zu verlieren, ihren Platz zu finden.