Kennt ihr sie auch, diese Sonntage, an denen man im Laufe des Tages in den Kühlschrank schaut, um festzustellen, dass man sich vielleicht doch Freitag nach Feierabend noch schnell in die Schlange der Supermarktkasse hätte einfädeln sollen?

Häufig folgt dann direkt darauf der Griff zum Handy um über Wolt, Lieferando und Co. Abhilfe zu schaffen.

Doch an manchen Tagen ist mir dann doch eher nach einem Essen zu Mute, bei dem ich sicher sein kann, dass es nicht erst noch zwei Runden um den Block gefahren wurde, um es dann lauwarm aus Papierboxen zu essen.

Kein Problem, sollte man in Berlin denken, doch leider sind auch in dieser wunderbaren großen Stadt sonntags viele Restaurants geschlossen. Nach fast vier Jahren in der Hauptstadt kann ich es nachvollziehen. Die Berliner sind einfach Sonntag abends keine Essengeher. Nicht selten habe ich mir mit meinen Teams Sonntag ab 15 Uhr die Beine in den Bauch gestanden.

Um so glücklicher war ich also, als vor Kurzem wieder der verzweifelte Blick in den Kühlschrank geschehen war, dass ich bei Instagram ein neues Bistro entdeckt hatte, nicht weit von meiner Wohnung entfernt UND sonntags geöffnet.

Im April diesen Jahres hat das Jolie direkt am Kollwitzplatz eröffnet. Es gehört zur „TheCatchFamily“, die einige Straßen weiter auch bereits das November bewirtschaftet. Also schonmal ein guter Indikator für Qualität. Beim Jolie handelt es sich ebenfalls um ein Sharingkonzept, allerdings weniger japanisch, fischlastig geprägt, sondern – müsste man es zwingenderweise einordnen – eher in die mediterrane und levante Richtung mit regionalen Produkten.

Und natürlich wird man auch nicht kopfschüttelnd nach Hause geschickt, wenn man sich ein eigenes Menü zusammenstellt, weil man eben – typisch Einzelkind – nicht teilen möchte.

Allerdings lohnt es sich das Sharingkonzept anzunehmen, um möglichst viel von den leckeren Speisen probieren zu können.

Von kleinen Snacks bis zu richtigen Hauptgängen ist auf der kleinen, aber vielfältigen Karte alles geboten. In angenehmem Tempo werden die Gerichte nach und nach an den Tisch gebracht.

Zum Start unbedingt zu empfehlen, das Sauerteigbrot; am besten mit den Sardinen dazu bestellen.

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Als nächstes kam Stracciatella mit Tomaten und Auberginen, Top-Produktqualität und dadurch hoch aromatisch.

Die hohe Qualität konnte man auch beim Thunfisch Crudo mit Zitrone und Pistazie schmecken. Der Thunfisch zerging auf der Zunge, die Pistazien gaben einen nussigen Crunch dazu, abgerundet wurde das ganze durch die Frische der Zitrone, die jedoch genau passend und nicht aufdringlich war.

Dann kam mein persönliches Highlight des Abends: Rindertatar mit gebeiztem Eigelb. Das Rindfleisch hoch aromatisch und durch die zugefügte Mayonnaise, cremig mit leichter Schärfe. Das gebeizte Eigelb wurde über das Tatar gehobelt und gab dem Gericht so das besondere Etwas.

Nach dem geschmacklichen Highlight folgten die beiden optischen Highlight des Abends: Beelitzer Spargel mit Beurre Blanc und Kaviar, wunderbar cremig und salzig und einfach wunderschön anzusehen. Beim Anblick zerlief einem schon das Wasser im Mund.

Überraschend war dann das Rote Bete-Kebab mit Labneh und Dukkha. Erwartet hatte ist eine Brottasche mit Gemüse statt Fleisch, stattdessen kamen zwei Spieße mit schön drapierten Rote Bete Scheiben. Alle Komponenten für sich waren im Geschmack eher eintönig, zusammengenommen hat es jedoch perfekt harmoniert. Die Frische und Cremigkeit vom Labneh haben die erdigen Noten der Rote Bete und die fast schon bitteren Noten von Dukkah optimal ausgeglichen und ergänzt.

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Nach dieser gelungenen Genussreise durch die Karte musste am Ende natürlich auch noch das Dessert getestet werden. Die Auswahl fällt hier mit einem Käsegang und zwei Süßspeisen etwas kleiner aus als die restliche Karte. 

Aber wer den Sticky Toffee Pudding einmal probiert hat, der wird ohnehin nichts anderes wollen. Schokoladig, karamellig, cremig…einfach genau das, was man sich als Dessertliebhaber wünscht. Und die Mascarponecreme aromatisiert mit Tonkabohne als ausgleichender Gegenpart um dem Gericht – zumindest scheinbar – die Schwere zu nehmen. Denn es wäre auch zu schade, wenn nur ein Löffel liegen bleiben würde.

Abgerundet wurde das gute Essen noch durch den sehr aufmerksamen Service. Kein leerer Teller blieb lange stehen, kein Weinglas wurde leer und dabei immer freundlich mit genau der richtigen Mischung aus persönlich und professionell.

Da das Bistro innen mit 8 Tischen, die meisten davon 2er Tische recht klein ist – Tip: perfekte Location für das 1.Date 😉 — , sollte man im Vorfeld auf jeden Fall reservieren. Für warme Tage steht auch eine große Terrasse mit deutlich mehr Plätzen zur Verfügung.

Am Wochenende wird zusätzlich eine Lunchkarte angeboten um das direkt angrenzende Marktleben zu beobachten und sich bei einem Glas Wein zu entspannen.

Egal, ob mittags oder abends, das Jolie ist auf jeden Fall eine Bereicherung für den Prenzlauer Berg.