Gestern beim Einkauf im Supermarkt bin ich plötzlich wie versteinert vor dem Gemüseregal stehen geblieben. Ein Produkt, wahrscheinlich bin ich schon tausendmal unbeachtet daran vorbei gelaufen, hatte plötzlich meine komplette Aufmerksamkeit. Denn plötzlich waren da Bilder in meinem Kopf, Bilder aus meiner Kindheit. Erinnerungen, die Gefühle und Gedanken in mir geweckt haben und ebenso meinen Appetit. Die Einkaufsliste wurde also in die Tasche gepackt und schnell neu geplant.

Kennt ihr das auch, dass bestimmte Lebensmittel Erinnerungen in Form von Bildern, Düften oder Geschmack bei euch wach rufen? Wenn ich euch bitten würde, die Augen zu schließen und an einen Duft aus der Kindheit zu denken, welcher wäre es? Oder ein Geräusch? Eine Szene? Ein Gefühl?

Ich war als Kind und Jugendliche lange eine wirklich schwierige Esserin. Im Gegensatz zu heute habe ich eigentlich kaum etwas gegessen außer Kartoffeln, Nudeln und Fleisch. Gemüse? Igitt. Fisch? Nachdem ich als Kind eine Gräte im Hals hängen hatte, habe ich erst mit 18 ganz vorsichtig wieder angefangen Fisch zu essen. Meine Eltern, insbesondere meine Mutter, sind manchmal an mir verzweifelt. „Aus ihr wird niemals ein Gourmet“, höre ich sie noch heute oft sagen…Tja, schon faszinierend, wie Dinge sich wandeln können.

Daher sollte man eigentlich meinen, dass ich nicht all zu viele kulinarische Kindheitserinnerungen habe. Denn welche besondere Erinnerung kann schon aus Pommes und Spaghetti entstehen? Aber vielleicht hat gerade meine komplizierte Verbindung zu Essen für einige Erinnerungen gesorgt?! Weil sich daraus Überraschungen ergeben haben oder eine Gefühl von Liebe und Fürsorge. Klingt komisch, fast schon kitschig? Okay, das bedarf vielleicht ein paar Erklärungen. Also nehme ich euch einmal mit auf meine kindliche kulinarische Reise.

Überraschungsmomente

Wie bereits gesagt, Gemüse stand definitiv nicht auf meinem Speiseplan. Champignons auf meiner Pizza waren ein Muss, aber alles andere, auf GAR KEINEN Fall. Zu Gemüse zähle ich auch Salat. Und das war es übrigens auch, wofür ich gestern meinen ganzen Speiseplan umgeschmissen habe. Es geht um Kopfsalat. Denn wenn ich ihn ansehe, kommen da tatsächlich einige Erinnerungen in mir hoch. An warmen Sommertagen gab es ihn bei uns. Die Blätter wurden kleingezupft und es gab ein klassisches Joghurtdressing dazu. Ganz schlicht und einfach, aber unglaublich erfrischend.  Da hat selbst mein kindliches-Ich vergessen, dass ich sowas nicht esse. Noch heute sehe ich mich, die ersten Blätter direkt aus der Schüssel naschen.

Genau so überraschend wahrscheinlich, dass ich zwar keinen Fisch gegessen habe, das Schlemmerfilet a la bordelaise von Iglo allerdings eines meiner Leibgerichte war. Dazu Kartoffelpüree um die kräuterige Kruste runterzukratzen und beides zu vermischen. Wenn ich jetzt darüber schreibe, habe ich direkt wieder den Geruch in der Nase, wenn der Fisch in einer dampfenden, duftigen Wolke aus dem Ofen kommt.

Essen mit Liebe

Welchen größeren Liebesbeweis gibt es, als neben dem normalen Essen noch extra Essen für eine weitere Person zu kochen? Heute im Erwachsenenalter wissen wir, dass das Kochen zu Hause oft daran scheitert, weil wir uns Gedanken über den Abwasch danach machen und dann doch lieber außerhalb oder dank Lieferdienst speisen. Meinen Großeltern war das egal. Neben ihrem Essen, gab es für mich Nudeln in Butter gebraten. Natürlich keine Meisterküche, aber immerhin ein Topf, ein Sieb und eine Pfanne mehr, die hinterher abgewaschen werden mussten. Heute noch habe ich den Geruch von schmelzender Butter in der Nase und kann die knusprigen Nudeln mit dem fettig, nussigen Geschmack auf der Zunge spüren.

Klassiker

Natürlich gab es in meiner Kindheit nicht immer Extrawürste oder Überraschungsmomente für mich. Manchmal gab es auch einfach die klassischen Kindergerichte, die schnell gemacht sind. Meistens hat es sich dabei um Würstchen mit Pommes gehandelt. Wobei das erste Würstchen immer schon kalt, direkt aus dem Glas in meinem Magen landete, wenn gerade niemand hinsah.

Kindergerichte als Erwachsener

Erinnerungen an diese Gerichte aus der Kindheit zu haben ist etwas sehr Schönes. Sie erwecken positive Gefühle, wie Sicherheit und Geborgenheit und wecken natürlich auch Appetit, wenn man sich an Geschmäcker und Gerüche erinnert. So wie damals, würde ich heute aber dennoch sicher keines davon mehr genießen. Convenience- und Tiefkühlgerichte gehören schon lange nicht mehr auf meinen Speiseplan. Zuhause koche ich zwar nicht unbedingt kompliziert, aber aus mehr als zwei Produkten darf mein Essen dann doch bestehen. Zum Nachkochen sind meine früheren Leibspeisen also heute nicht mehr geeignet, aber sehr wohl als Inspiration. Daher habe ich einmal überlegt, wie ich meine Lieblingsgerichte als Kind für mein erwachsenes Ich tunen kann.

Fangen wir direkt mit meiner gestrigen Erscheinung an:

Kopfsalat | Schmand | Crôutons

Die Erinnerung an den Kopfsalat scheint nicht nur aus meiner Kindheit bekannt zu sein. In einigen Restaurants wird er inzwischen als Signatur Dish im Ganzen, angemacht mit einer Vinaigrette serviert. So gegessen habe ich ihn bereits einmal im Grill Royal in Berlin.

Bei meiner Version ersetze ich den Joghurt durch Schmand, gemischt mit Abrieb und Saft von der Limette, etwas Honig, Senf, Salz und Pfeffer ergibt sich ein frisches süß-saures Dressing, das ich über das Herz des Kopfsalates gebe. Da für mich immer etwas Crunch nicht fehlen darf, gibt es dazu noch ein paar Crôutons. Ein einfaches Gericht, das nicht zu weit entfernt vom Original ist, um Erinnerungen zu wecken, aber dennoch etwas moderner und vielfältiger in den Aromen.

kindheitserinnerung

Kabeljau | Kartoffelpüree | Thymian | Panko

Frischer Kabeljau, kurz angebraten und dann im Ofen fertig gegart, ist wundervoll saftig und aromatisch, ganz im Gegensatz zu dem wässrigen Fischquader, den ich als Kind geliebt habe. Panko wird in der Pfanne mit Butter angeröstet und zum Schluss wird frischer gehackter Thymian untergemischt. Dadurch erhält das Gericht nicht nur das kräftige Aroma, das mir aus der Kindheit vertraut ist, sondern die Mischung kommt auch knusprig über das Püree.

Spaghetti | Beurre Blanc | Panko

Die Aromen sind die selben, wie die aus der Kindheit, allerdings durch die Buttersauce etwas feiner und der in Butter geröstete Panko verleiht dem einfachen Gerichte neben dem Buttergeschmack mit zugehörigen Crunch noch etwas mehr Dimensionen.

Merguez | Bratkartoffeln | Himbeersenf

Würstchen aus der Dose oder dem Glas würde ich heute einfach nicht mehr essen…sei es aus Qualitäts-, Nachhaltigkeits- oder Geschmacksgründen. Heute wähle ich da als Ersatzprodukt Merguez, eine Rinderwurst, häufig mit Wildanteil, in der Handwerk steckt. Daher leider auch nicht ganz so günstig und nicht so häufig zu bekommen, aber es lohnt sich. Statt Pommes gibt es dazu schön knusprige Bratkartoffeln und um alles etwas abzurunden und zu verbinden, gibt es als süß-scharfe Komponente etwas Himbeersenf dazu. 

Erinnerungen als Inspiration

Während ich diesen Blogeintrag schreibe, kommen direkt einige weitere Erinnerungen in mir hoch. Und das ist es doch, was gutes Essen ausmacht. Man verarbeitet nicht einfach ein paar Lebensmitteln, sondern man verbindet sie mit Gefühlen und schafft Erinnerungen.